Geschichtlicher Hintergrund 
des Karussellbaus

Das Wort Karussell hat vermutlich seinen Ursprung im arabischen Raum des 12. Jahrhunderts. Das byzantinische Wort „carosellos“ bedeutete soviel wie „Reiterwerk“ oder „Kleine Kriege“. Nach Europa kam die Tradition durch spanische und italienische Eroberer. Daraus entwickelte sich das französische Wort „carousel“ und das italienische „carosello“, mit welchem das Reiterspiel mit Ringestechen bezeichnet wurde. Im 18.Jahrhundert trainierten junge Adelige bei diesem Spiel ihre Reitfertigkeiten, indem sie versuchten, im Galopp mit einer Lanze Ringe aufzuspiessen, die an einem Balken hingen.

Ein ähnliches Spiel war schon im Mittelalter bekannt. Um ihre Geschicklichkeit zu schulen, setzten sich Ritter auf den Rand eines sich drehenden Gestells und fingen im vorbeifahren Ringe mit der Lanze.

In Laufe des 18.Jahrhunderts veränderte sich der Charakter der Reiterspiele. Im Vordergrund standen nicht mehr die Leistungen der Reiter, sondern zunehmend die Unterhaltung der Hofgesellschaft, woran sich auch Damen beteiligten. So entstand aus der Kombination der mittelalterlichen Ritterspiele und des Ringestechens das erste Karussell mit Holzpferden - angetrieben durch reine Muskelkraft.

Um 1701 finden sich erste Hinweise auf diese mechanischen Drehvorrichtungen, die zunächst im Hofbereich der Burgen und in Gartenanlagen aufgestellt wurden. Sie bestanden meist aus einem drehbaren ebenerdigen Holzkreuz, an dessen Ende ein hölzernes Pferd im Galopp stand.Um diese Konstruktion herum hingen Ringe, die an einem Haken befestigt waren und heruntergeholt werden mussten. Das erklärt auch, warum sich Karussells meist gegen den Uhrzeigersinn drehen. So konnten Rechtshänder ihre Lanze einfacher nach aussen richten. Diese ersten Karusselle im eigentliche Sinn wurden durch Menschen angeschoben, die im Inneren der Konstruktion standen. Spätere Karusselle wurden dann auch von Pferden oder Ochsen gedreht.

Mit der Zeit entdeckte auch die einfache Bevölkerung das Karussell für sich. Im Jahr der Eröffnung des Wiener Prater 1766 gab es dort ein Karussell. Um 1800 waren die Karussells bereits in ganz Europa verbreitet. Sie befanden sich jedoch grösstenteils noch an stationären Orten, zum Beispiel in einem Badeort oder in einem Lustgarten.

Die ersten Karussells, die ohne Muskelkraft fuhren, entstanden während der Industriellen Revolution. In den 1860er-Jahren wurden die Karusselle das erste Mal mit Dampf betrieben, bevor sie später mit Elektrizität in Gang gesetzt wurden. Diese Modelle waren nun auch transportabel und relativ leicht auf- und abzubauen. Die Hochburg des Karussellbaus war in Deutschland. Ab 1870 wurden unzählige Karusselle in Morbiz und später in Neustadt an der Orla gebaut. Sie wurden von dort auch in die ganze Welt exportiert. In ihrer Perfektion lösten sie nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern weltweit einen regelrechten Boom aus. In England, Frankreich und in Amerika standen sie Modell und wurden zum Vorbild für namhafte Hersteller von Karussellfiguren. Und nicht nur Pferde waren auf den Karussells zu bewundern. Schon bald kamen neben edlen Pferden und Kutschen auch andere Tiere wie beispielsweise Esel, Hirsche, Löwen, Elefanten, Bären, Giraffen, Schafe, Schweine etc. dazu.

Die beiden Weltkriege führten zum Ende des historischen Karussellbaus in Europa. Die Firmen wurden durch Bomben zerstört und fast alle Angestellten starben als Soldaten im Krieg. Kinder und Enkelkinder der Schnitzer waren aber schon in den 20er Jahren nach Amerika ausgewandert. Dort haben sie südlich von New York eigene Firmen gegründet und die Tradition des Karussellbaus weitergeführt. Bis 1970 wurden nach alter Herstellungsweise Karusselle gebaut. Heute sind nur noch sehr wenige Karussells in ihrer Originalbesatzung unterwegs. Viele wurden im Krieg zerstört, andere wurden ausgeschlachtet, die Originaltiere verkauft und ersetzt durch billige Kopien aus Plastik.

Das älteste Karussell weltweit, welches noch in Betrieb ist, ist das 1779/80 erbaute Wilhelmsbader Karussell in Hanau. Es wurde während beinahe 10 Jahren für über 4 Millionen Euro vollständig restauriert und im Juli 2016 wieder eröffnet.

Seit ca. 40 Jahren wird Europa förmlich überschwemmt von Billigprodukten aus Asien. Grundsätzlich würde natürlich nichts dagegen sprechen, ein solches Pferd zu kaufen. Leider ist es aber sehr oft so, dass diese Pferde wissentlich und sicher manchmal auch unwissentlich als echte antike Karussellpferde zu völlig unrealistischen Preisen angeboten werden. Das Holz dieser Pferde ist meist nicht trocken genug. Entweder bildet sich unter der Farbe dann Schimmel, oder aber das Holz wird mit gesundheitsschädigenden Mitteln behandelt. Auch die verwendeten Farben sind billig und nicht unproblematisch. Die Schnitzereien sind grob und lieblos mit Maschinen gefräst und entsprechen nicht annähernd der wirklichen Anatomie eines Pferdes. Und schlussendlich haben diese Pferde auch keine Geschichte. Sie haben niemals ihre Runden auf einem Karussell gedreht, sind nie von glücklichen Kindern geritten und gestreichelt worden und waren auch nie ein Teil ihrer Träume….

Quellennachweis:

  • http://www.planet-wissen.de; Stichwort Karussell

  • C2018 Genossenschaft Rössliriiti für Alli, R. Moser und A. Weile

  • Boden- und Hängekarussells in Deutschland, Margit Remus, Juli 2004